Literature

Die Tochter Zeus' an einem Sonntag by Mikael Rudolfsson - Trombone

Die Buchhandlung am Bahnhof Landstraße an einem Sonntag. Gefällt mir besonders gut, weil an Feiertagen und Sonntagen sonst die gesamte Gesellschaft hier im katholischen Europa stillsteht. Es ist ein Lockdown im Kleinen, eine winzige, vom Neo-Liberalismus vergessene und von der Gottheit eingeführte Atempause, alles für die Bürger und für die Bürgerinnen. Die dann, wenn sie ausgeruht und wohlig sind, zu noch einer Woche Heldentaten bereit sind. Alles ist zu, sogar die Lebensmittelgeschäfte. Aber, wie gesagt, unsere nicht namentlich benannte Buchhandlung hat offen, weil besondere Bahnhofsregelung, weil Systemrelevant, weil sonst nicht Geschenke am Sonntag und food for thought eingekauft werden könnten. Und das würde sicher sogar der liebe Gott gutheißen.

Wache, hell denkende Zeitgenossen vermischen sich hinter den Regalen, versammeln sich ohne Verabredung, checken sich schüchtern über Bücherrücken und hinter Jahreskalendern aus. In die Zukunft schauend, rückwärts lesend, in der großen, dokumentierten Weltgeschichte nach Antworten fischend. Spiele spielend. Denkend. Fühlend. Zeit nehmend. Lange dicke Bücher als Gegenentwurf zu unserer Zeit, in der sich scheinbar alles beschleunigt. Wenn alles nur so einfach wäre wie in der vergessenen Buchhandlung an einem beliebigen Sonntag.

Musik konservieren by Mikael Rudolfsson - Trombone

Wie kann man Musik festhalten? Ist es überhaupt möglich, dieses klingende Zeitfenster Magie zu konservieren, zu fangen, ähnlich dem Fangen der Träume in Roald Dahls "Sophiechen und der Riese", ein Buch in dem der gute Riese GuRie Träume aus dem Traumland holt, in Einmachgläsern sammelt und nachts in seine Trompete gießt, um sie in die Schlafstuben der Kinder zu blasen und dadurch ihnen schöne Träume zu bescheren?

Ich lebe streng nach der Devise "Music doesn't take time, it takes place in time" aber letzte Woche haben wir es mit meinem Quintett Ensemble Schwerpunkt gewagt, nach ganz anderen Prinzipien zu arbeiten. Wie ein Eisbrecher auf dem Weg zum Nordpol haben wir mit allerhöchstem Anspruch die besten Stücke unseres Kernrepertoires im Deutschlandfunk-Kammermusiksaal in Köln für unsere erste CD aufgenommen. Und zwar Satz für Satz, Teil für Teil, Takt für Takt.

Aufnehmen hat nichts mit konzertieren zu tun. Es fordert komplett andere Fähigkeiten, ist ein teilweise mühsamer, sehr langer Prozess. Aber, wie unser Tonmeister gesagt hat, es ist möglich Musik zu konservieren. Man muss dann aber anders vorgehen. Und nachdem ich die ersten Ergebnisse oben im Studio gehört hatte war ich mir gewiss: es wird ein Hörerlebnis sein. Wir haben auf solch kleine Details Wert legen können, mit den feinsten klanglichen und technischen Werkzeugen arbeiten können, mit Extraohren und Extramikros und Extrakonzentration was erschaffen, was im Konzertsaal nicht möglich ist. Der Tonmeister nochmal: man kann ein Musikerlebnis für die Ewigkeit konservieren, das jederzeit abrufbar ist und immer die Frische behält.

Wie ein Traum in einem Einmachglas.

IMAGINATION // On braking the wall and turning 30 by Mikael Rudolfsson - Trombone

IMAGINATION
On Breaking the Wall and Turning 30

France inspired me. Again. Last week, I had the great pleasure of celebrating turning 30 (so, mathematically speaking, my 31th birthday) in Dijon with all my new Klangforum collegues, many singers from the Pinocchio-production and other friends. A wonderful evening with wine (for the others), food, music, conversations and joie-de-vivre. An evening symbolizing where I stand now, what life has brought and taught me in its first 30 years, 10958 days or however you'd like to count it.

And, since this is a historical change of numbers, I've been thinking. It actually feels a bit like a very refreshing New Year's Eve, or rather the day after, and I discover this as a chance, a possibility to re-think, find new goals and paths and to keep on imagining things and staying creative. And as a sudden surprise, this quotation came to me:

"Rien ne vaut la peine d'être vécu, qui n'est d'abord une œuvre d'imagination ou alors la mer ne serait plus que de l'eau salée"
- Romain Gary

The most beautiful picture: if we wouldn't have our imagination, the sea would be nothing more than salty water. Gary - a dreamer, a literaric hero and a man not willing to compromise with anything. Especially not with dreaming and fantasizing. And so, the sea remains something magical.

If life would be in sonata form, this birthday was probably the end of the Exposition and the beginning of the Durchfürung. Or to put it in John Coltrane's words: the end of the Acknowledgment and the beginning of the Resolution. I'm really looking forward to it.

All the best from Berlin,
Your Mikael